"The 90's" Biographie

Saâda Bonaire      "The 90's"


Die Geschichte von Saâda Bonaire muss aktuelll (2022) mal wieder völlig neu erzählt werden. 

Bis 2020 gab es nur dieses eine (2013 vom New Yorker „Captured Tracks“ Label veröffentlichte) Debüt-Album von Saâda Bonaire mit den bekannten 13 Titeln aus den frühen 80.er Jahren. Damit ist das deutsche concept art project dann nachträglich berühmt geworden.


2014 kam noch mal eine Vinyl-Pressung mit weiteren vier Cover-Versionen von der Band auf den Markt. Damit war die Geschichte eigentlich zu Ende, denn mehr Musik gab es einfach nicht.


Aber 2020 sind in Ostberlin einem alten Koffer noch einmal zwölf alte Saâda Bonaire-Titel entdeckt worden, allerdings stammten die aus den 90.er Jahren. Das Bandmaterial war in denkbar schlechtem Zustand, denn es lag 25 Jahre auf dem Dachboden in einem vergessenen Übersee-Koffer. 

Berliner Spezialisten für die Restaurierung klassischer Musik konnten den Originalzustand trotzdem wieder herstellen. 

Irgendwie wiederholte sich an der Stelle die Geschichte dieser Kultband. 


Auch das 2013 aufgetauchte Debütalbum enthielt ebenfalls endgültig verloren geglaubtes Material. Denn alle Originalbänder sind ja bekanntlich 2004, unter nie geklärten Umständen, auf der Mülldeponie in Bremen gelandet. Kein Krimiautor hätte sich so ein Skript besser ausdenken können. 


Jetzt gibt es aus dem Jahr 1992 ein sogenanntes „zweites Album“ von Saâda Bonaire.

Alle zwölf Titel hat auch DJ ralph „von“ richthoven produziert, eingesungen von der Lead-Sängerin STEPHANIE LANGE und ihrer seinerzeit neuen Gesangspartnerin ANDREA EBERT. 

Diese 12 Songs, die Anfang der 90.er im Zusammenspiel von Bremen und New York entstanden, zeigen die Versuche der Gruppe, ihren sehr speziellen, charakteristischen Fusion-Sound (Reggae, Afro-Funk, Oriental, Disco mit erotischem Sprechgesang) in bis dahin unbekannte Nu-Jazz-, Trip-Hop-, Nu-Disco- und Vocal-House-Gefilde zu lenken. 

Dass man sich weiterhin als Avantgarde verstand, ist unüberhörbar, aber dem Zeitgeist der 90.er Jahre wurde produktionstechnisch Tribut gezollt. Man musste nicht mehr für die Realisierung jeder musikalischen Idee einen anderen Musiker finden, stattdessen konnte man mit Apple-Computern und gleich mehreren AKAI-S1000-Samplern arbeiten.

Obwohl der renommierte New Yorker DJ Matthias Heilbronn in den Axis Studios von François Kevorkian als co-producer gewonnen werden konnte, wurde am Ende auch diese neue Kollektion von allen großen Labels als viel zu bizarr für eine Veröffentlichung erachtet. 

Auch das 2. Album von „Saâda Bonaire“ wurde damals nie veröffentlicht, die Band war mit ihrem Soundkonzept mal wieder ihrer Zeit um Jahre voraus. Das Fusionieren von Musikstilarten, die angeblich nichts miteinander zu tun haben, wurde erst im neuen Jahrtausend zum Trend.


Aber nochmal von vorne…. etwas detaillierter...


Das Projekt „Saâda Bonaire“ war damals nach dem Rausschmiß 1983 bei EMI allerdings keineswegs am Ende. 

Claudia Hossfeld verließ zwar das Team, weil sie bei einer Frauenzeitschrift in Hamburg als Redakteurin arbeiten konnte, aber Stephanie Lange und DJ ralph „von“ richthoven produzierten weitere Musiktitel für Saâda Bonaire bis 1988 in den Dub City Studios in Bremen. 

Leider fand man in den 80.ern kein Label, das bereit war dieses Fusion-Material zu veröffentlichen. 

Erst 2013 kam das Debüt-Album mit diesen Tracks aus den 80.er Jahren in New York auf den Markt. 


Ende der 80.er Jahre ging aber auch die Liebesbeziehung zwischen Stephanie Lange und DJ ralph „von“ richthoven“ in die Brüche und in der Folge musste „Saâda Bonaire“ ca. zwei Jahre lang pausieren.


Anfang der 90.er Jahre hatte DJ ralph „von“ richthoven mehrere neue musikalische Mitstreiter gefunden, mit denen er damals Jazz-Hip Hop-Tracks für diverse Künstler produzierte.  

Dabei entstand die Idee dem Projekt Saâda Bonaire noch einmal einen neuen Anschub zu geben. 

Leadsängerin war wieder Stephanie Lange, aber diesmal hatte sie endlich wieder eine feste Gesangspartnerin: Andrea Ebert, die eine betont rauchige Soulstimme mitbrachte. 

In relativ kurzer Zeit wurden in einem kleinen Team neue Tracks entwickelt, Lyrics geschrieben, Harmonielinien festgelegt, der Gesang aufgenommen und dann wurde monatelang danach am endgültigen Feinschliff gearbeitet. 

Das fand fast alles in dem Kellerstudio von Mike Ellington statt. Dessen Familie hatte relativ große Lagerräume, da unten in der Tiefgarage befand sich das professionelle Tonstudio. Da wurden Soul- & Blues-Klassiker in ein Saâda Bonaire-Konzept umgestrickt, aber auch Triphop-Hymnen und luftige Brit-Funk-Nummern. Befreundete Musiker halfen weniger kontroverse Lyrics zu entwickeln und eingängigere Hooklines zu verwenden.  Zu nennen sind da Paul Lindsay, Andreas Proff und Cemal Kocas.

Chicago House wurde ein ganz starker Einfluss, davon waren alle im Team total begeistert. Alles was musikalisch irgendwie neu war, wurde sofort integriert. Gleich mehrere von den kurdischen Musikern, die in den 80.Jahren dabei waren, konnten noch einmal eingebunden werden. 

Andrea Ebert kannte den New Yorker DJ und Produzenten Matthias Heilbronn und konnte ihn motivieren, sich die neu entwickelten Tracks von Saâda Bonaire im House-Tempo noch einmal speziell vorzuknöpfen. 

In New York wurde fast alles in einem Kraftakt noch einmal eingespielt und das House-Material komplett überarbeitet. 

Aber um die Story abzukürzen, der gesamte Aufwand wurde leider nicht mit einem Plattenvertrag honoriert. Alles verlief mal wieder im Sand, keine Plattenfirma wollte das Material veröffentlichen. 

1995 ist das Art-Projekt zum zweiten Mal gefühlt von der Musikindustrie „beerdigt“ worden. 

Danach hatte keiner mehr Lust an dem Projekt weiter zu arbeiten.

Stephanie Lange  wurde Mutter und war nach ihrem Kunststudium als Malerin und Raumdesignerin beruflich ausgelastet. 

Andrea Ebert lebte in den folgenden Jahren in New York City, war dort als Studiosängerin aktiv und hat später lange als Managerin im Musikgeschäft gearbeitet. 

DJ ralph „von“ richthoven hat bis 2000 mit einem anderen Produktions-Team weiter loop-orientierten Jazz-Hip Hop  im turntablism-style gebaut und 1999 dann eine feste Stelle als Musikredakteur bei Radio Bremen übernommen. Mike Ellington hat sein Studio verkauft und wurde Berufs-Fotograf.

Dass in Ostberlin 25 Jahre lang noch ein vergessener Koffer rum stand, in dem es diese Bänder gab, die das gesamte Schaffen von Saâda Bonaire in den 90.er Jahren dokumentierten, konnte niemand wissen.

Aber das Label Captured Tracks, das 2013 das Debüt-Album veröffentlicht hat, war über den überraschenden Fund begeistert. 

Plötzlich konnten sie eine Fortsetzung der Geschichte anbieten, mit der niemand gerechnet hat.




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2021 hat Andy Grier noch einmal die Mitglieder von Saâda Bonaire aufgesucht, die in den 90.Jahren für das Projekt aktiv waren und weitere Interviews aufgenommen.


Das, im Album „1992“ abgedruckte, Interview ist hier weiter unten auf der Seite zu lesen..


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